Das Hôtel de Musique 1798–1900


Das Hôtel de Musique am Theaterplatz in Bern diente von 1798 bis 1900 als Theater-, Oper- und Konzertbühne. Die Weichen für die Entstehung des Theatergebäudes wurden im Jahr 1767 mit der Gründung einer Aktiengesellschaft gestellt – bestehend aus vierundzwanzig Aktionären1 unter anderem aus Mitgliedern der Grand Société – deren Ziel es war ein Theater zu errichten. Im Ansuchen lieferte die Gesellschaft erste Pläne für den dreistöckigen Bau mit, welcher erkennen liess, dass man gegen die Hotelgasse einen grossen Saal für Tanz- und Konzertabende einbauen möchte.2 Mit dem Wissen, das die sittenstrenge Obrigkeit einem Theaterbetrieb nicht zustimmen würde, gab man den Bau als ein Konzerthaus aus.3 Im April 1767 wurde schliesslich die Bewilligung für den Bau eines Kaffeehauses mit Tanz- und Konzertsaal erteilt.4 Ende 1769 fand im neuen Gebäude der erste Tanzanlass statt und ab 1770 stand das vom Architekten Niklaus Sprüngli (1725-1802) entworfene Gebäude für den Theaterbetrieb bereit.5


Anonyme, Berne, place du Théâtre

Anonyme, Berne, place du Théâtre“ von Anonym - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.



Einblick ins Repertoire des Hôtel de Musique

Für die Zusammenstellung des Repertoires wurden folgende Quellen ausgewertet: Zum einen das Tagebuch des Berner Bürgers Samuel Rudolf Walthard (1772-1855) sowie der Nachlass von Peter Stadler und zum anderen das Intelligenzblatt Bern.
Eine wertvolle Quelle ist das Tagebuch von Samuel Rudolf Walthard, welche die Jahre 1817 bis 1855 in 9 Bänden erfasst. Die Tagebucheinträge schildern in ausführlicher Weise und in Französischer Sprache - mit Ausnahme von Titeln deutscher Schauspiele und Opern, die in der Kurrentschrift notiert sind - persönliche und allgemeine Erlebnisse des Tages von und um Bern.6 Für das Repertoire von entscheidender Bedeutung sind Walthards detaillierte und abwechslungsreiche Einträge zum Berner Theaterleben, die sich über die Jahre 1817 bis 1843 erstrecken und die er sich regelmässig, oft täglich ins Tagebuch notiert hatte. Walthard gehörte, wie seine Aufzeichnungen vermuten lassen, zu den fleissigen Theaterbesuchern Berns. Seine Tagebucheinträge geben einen Einblick in die Wahl der Schauspiele bzw. der Opern, Dauer der Spielzeit einzelner Schauspieltruppen, Einnahmen und Ausgaben, Besucherzahlen, Erfolg der Gastspiele, kostspielige und aufwendige Bühnenbilder, Grösse des Orchesters und Gesangsstile der Solisten. Walthards Beobachtungen und Angaben vermitteln ein lebendiges und farbiges Bild der Berner Theaterkultur im 19. Jahrhundert.




Aus: Kunstdenkmäler der Schweiz Band 2



In den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war das Hôtel de Musique vor allem in den Frühlings- und Sommermonaten in Betrieb. Ein allgemeines Spielverbot galt für den Palmsonntag, Karfreitag, Ostern, Pfingsten, Bettag und Weihnachten und an deren Vorabenden. Vorrangig wurden deutsch- und französischsprachige Schauspieltruppen ausgewählt.
Sehr beliebt war in den ersten Jahrzehnten die deutsche Schauspielgruppe von Georg Dengler. Sie erhielt mehrmals die Spielerlaubnis. Zu ihrem Kernrepertoire gehörten die Stücke von August von Kotzebue, Friedrich Schiller und Wolfgang Amadeus Mozart. Bei letzterem ist davon auszugehen, dass jeweils nicht das vollständige Werk7 gespielt wurde, sondern nur Ausschnitte bzw. einzelne Akte davon. Im Hôtel de Musique war es üblich mehrere Schauspiel- und Opernszenen an einem Abend aufzuführen. Zudem wurde stark auf die Resonanz des Publikums geachtet und gegebenenfalls kurzfristig entschieden den Spielplan zu ändern.
Eine weitere beliebte Schauspieltruppe war diejenige von Friedrich Koch. Sein Repertoire glich mit wenigen Abweichungen demjenigen von Georg Dengler. Possen, Vaudevilles, Lust- und Trauerspiele wurden zum Besten gegeben. Heute sind aber die meisten Stücke aus jener Zeit kaum mehr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Der Einzug der Oper fand abgesehen von einigen Ausnahmen erst ab den 1820er Jahren statt und wurde von französischen Ensembles bestritten. Zu den meistgespielten Opernkomponisten gehörten zu Beginn Étienne Nicolas Méhul, François Adrien Boieldieu, Nicolas Marie Dalayrac und Nicolas Isouard. Italienische Opern wurden erstmals mit der Operngesellschaft Perrucco im Sommer 1820 importiert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte sich neben den Singspielen von Mozart der Freischütz von Carl Maria von Weber im Repertoire behaupten.
Walthards Tagebuch war für die Zusammenstellung des Repertoires der ersten 30 Jahre ausschlaggebend. In den darauffolgenden Jahren wurde abwechslungsweise mit dem Nachlass von Peter Stadler und dem Intelligenzblatt, eine der wichtigsten Zeitungen Berns im 19. Jahrhundert, gearbeitet. Der Nachlass von Peter Stadler behandelt das alte Stadttheater von 1837 bis 1900 und geht auf Subventionierung, Einrichtung, Bernische Theaterkommissionen und die Spielzeit der verschiedenen Theaterdirektoren ein. Ferner verdeutlicht der Nachlass, dass ab Mitte der 1830er Jahre österreichische, deutsche oder schweizerische Theaterdirektoren eingestellt wurden, die sich einer oder mehrerer Schauspiel- und Opernsaisons annahmen. Anton Neukäufler war der erste Direktor des Hôtel de Musique. Seine Amtszeit erstreckte sich von 1837 bis 1838 und das unter ihm gepflegte Repertoire zeichnete sich insbesondere durch die neuesten Opern von Daniel François Esprit Auber, Giacomo Meyerbeer, Gioachino Rossini und Vincenzo Bellini aus. Daneben waren auch Mozarts Werke vertreten. In die Spielzeit von Neukäufler fiel unter anderem die Berner Erstaufführung von Meyerbeers Robert le diable am 1. Januar 1838. Nachfolgende Direktoren teilten die Spielzeit oftmals in eine Schauspiel- und eine Opernsaison.


  1. 1

    Lehmann, Claudia (Hg.): Hôtel de Musique und Grande Société in Bern, 1759-2009, S. 102.

  2. 2

    Lehmann, Claudia (Hg.): Hôtel de Musique und Grande Société in Bern, 1759-2009, S. 102.

  3. 3

    Lehmann, Claudia (Hg.): Hôtel de Musique und Grande Société in Bern, 1759-2009, S. 114.

  4. 4

    Nef, Albert: Fünfzig Jahre Berner Theater, S. 1.

  5. 5

    http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D19967.php (Stand, 29. Juli 2012).

  6. 6

    http://katalog.burgerbib.ch/detail.aspx?ID=36308 (Stand, 29. Juli 2012).

  7. 7

    Folgende Werke von Mozart wurden von 1800-1820 aufgeführt: Die Zauberflöte, Die Entführung aus dem Serail und Titus der Gütige (La clemenza di Tito).